Zu Gast im Podcast – Was ist Reitpädagogik?

Ich durfte im Sommer 2025 zu Gast im Podcast „Psycholohü“ sein und habe hier ein paar Inhalte daraus für euch abgetippt. Wenn du lieber das ganze Gespräch hören möchtest, such einfach mal nach diesem Podcasttitel „Jessica Jost über die Reitpädagogik“ in der Podcastplattform deiner Wahl.

Ich beschäftige mich schon lange intensiv mit Kindern, Lernen und dem Schulsystem – wie sie glücklich aufwachsen und sinnvoll Neues lernen können. Besonders das Growth-Mindset interessiert mich dabei. Mein kinderlieber Isländer ist Teil meines Konzepts: Ich biete Reitpädagogik für kleine Gruppen ab drei Jahren an.

Psycholohü: Viele wissen nicht genau, was Reitpädagogik ist und wie sie sich vom klassischen Reitunterricht unterscheidet. Kannst du das kurz erklären und beschreiben, was du mit den Kindern konkret machst?

Reitpädagogik und Reittherapie unterscheiden sich deutlich: Für die therapeutische Arbeit mit Pferden ist eine professionelle Ausbildung erforderlich, wie etwa in der Hippotherapie oder im therapeutischen Reiten. Pädagogisches Reiten hingegen legt den Fokus auf spielerisches Heranführen an das Pferd, fördert Bewegung und einen achtsamen Umgang mit dem Tier. Ziel ist es, dass Kinder Pferde als Partner kennenlernen, ihre Bedürfnisse verstehen und gemeinsam Verantwortung übernehmen. Gemeinsam mit den Kindern erledigen wir einfache Stallarbeiten wie Füttern und Heu verteilen – das macht ihnen viel Spaß.

Die Reitpädagogik bietet zudem verschiedene Schwerpunkte: Sie kann Lernbegleitung für Kinder mit schulischen Herausforderungen sein oder spielerisch motorische Fähigkeiten vermitteln und auf das Reiten vorbereiten. Zu mir kommen Kinder mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen – manche sollen ruhiger oder offener werden. Viele profitieren davon, mit dem Pferd zu arbeiten, blühen dabei auf und entwickeln sich weiter.

Die meisten Kinder kommen jedoch zum Reiten, um gemeinsam mit dem Pferd Zeit zu verbringen, spezielle Anliegen sind selten.

Kinder mit besonderen Bedürfnissen werden meist in der Therapie betreut. Es gibt Angebote zur frühkindlichen Förderung, bei denen auch Kinder mit körperlichen Einschränkungen teilnehmen. Im Reitunterricht liegt heute mehr Fokus auf dem Verständnis für das Pferd statt nur aufs Reiten selbst. Das Geschlechterverhältnis ist im Reitunterricht überwiegend weiblich geprägt, jedoch nehmen auch Jungen teil, besonders bei Kursen im Kindergarten. Die Gruppe Kinder ist daher gemischt, wobei Mädchen nach wie vor stärker vertreten sind.

Nach erstem Kontakt zeigt sich schnell, ob ein Kind gern mit Pferden arbeitet, unabhängig vom Geschlecht. Es ist schön, dass das Angebot offen für alle ist; das sollte schon früh gefördert werden. Im Vorschulalter sind die Gruppen meist noch vielfältiger, später überwiegen meistens die Mädchen.

Das Konzept des Reitunterrichts entwickelt sich stetig weiter – mittlerweile gibt es viele Programme rund ums Reiten, nicht nur Reitunterricht. Gerade bei jüngeren Kindern (drei bis sechs Jahre) stehen motorische Entwicklung und Körpergefühl im Vordergrund.

In meinen Reiteinheiten geht es nicht nur darum, möglichst lange auf dem Pferd zu sitzen. Wichtiger ist, dass die Kinder Vertrauen zum Pferd gewinnen und Spaß an gemeinsamen Aktivitäten wie Putzen oder Spielen haben. Aus körperlichen Gründen sollten Kinder ohnehin nur kurz reiten, sonst schadet es eher. Mir ist wichtig, ihnen auch alle anderen Aspekte rund ums Pferd beizubringen.

Auch bei älteren Kindern steht das ganzheitliche Lernen im Vordergrund. Für mich steht immer das Wohl des Pferdes an erster Stelle, und ich gebe das so auch an die Kinder weiter, damit sie lernen, respektvoll und verantwortungsvoll mit den Tieren umzugehen.

Ich sensibilisiere die Kinder früh für den respektvollen Umgang mit Pferden. Mithilfe von Bildkarten und einfachen Regeln lernen schon die Kleinsten, das Verhalten der Tiere zu beobachten und Rücksicht darauf zu nehmen. Im Alltag erkläre ich kindgerecht, warum wir bestimmte Dinge für das Wohl des Pferdes lassen oder tun – etwa das Pferd auch mal in Ruhe zu lassen. Diese Herangehensweise fördert Empathie; Kinder sind oft sehr offen für Erklärungen und akzeptieren auch, wenn ein Pferd mal nicht mitmacht.

Im Unterricht beobachte ich oft, dass schüchterne Kinder offener werden und lebhafte ruhiger. Nach einer Weile finden die meisten ihre Mitte, konzentrieren sich besser und nehmen mehr Rücksicht. Meine klare Struktur hilft dabei: Erst wird das Pferd begrüßt, dann geputzt, anschließend gespielt.

Viele Kinder profitieren von Reitpädagogik, auch solche, die vorher wenig Kontakt zu Pferden hatten. Besonders Kindergartenkurse ermöglichen einen einfachen Einstieg, selbst für Kinder mit anfänglicher Scheu. Am Ende trauen sich oft auch ängstliche Kinder aufs Pferd.

Ich wünsche mir, dass mehr Kinder die Chance bekommen, an solchen Kursen teilzunehmen – egal, ob sie reiten, putzen oder im Stall helfen wollen. Auch für Reitpädagogen und -lehrer sollte mehr Verständnis entstehen: Das Angebot kostet Zeit, Geld und viel Engagement, da Pferde täglich betreut werden müssen und Lehrkräfte davon leben möchten.

Viele Eltern unterschätzen die Kosten von Kinderhobbys, vor allem das Reiten. Deshalb biete ich über den Kindergarten niedrigschwellige Kurse an, oft mit Unterstützung des Fördervereins.

Kindeswohl ist auch ein wichtiges Thema, wenn man mit Kindern arbeitet. Gerade wenn ich jetzt die kleinen Kinder habe, die muss ich aufs Pferd heben und dafür anfassen. Und alleine nur das Kind anzufassen, ist mir unglaublich wichtig, das Kind vorher darauf anzusprechen, zu sagen: Ich hebe dich jetzt hoch. Darf ich dich dafür kurz anfassen? Einfach dem Kind dieses Recht zu geben, für sich einzustehen und zu sagen: „Nein, ich möchte das jetzt so nicht. Zeig es mir anders", oder wie auch immer.

Psycholohü: Was wäre denn dein Wunsch für die Pferdewelt? Was würdest du gerne allen Pferdemenschen da draußen mitgeben?

Ich fände es schön, wenn das Pferd wieder mehr in den Mittelpunkt rückt, nicht mehr der Sport an sich so ein großes Thema ist, dass einfach das Pferd als Partner, als Freund und das Pferd mit seinen Bedürfnissen gesehen wird, wie es ist und was es braucht. Und ich würde mir grundsätzlich wünschen, dass man mehr Pony-Zeit hat, mehr Zeit mit den Pferden entspannt verbringt, ohne dass man da irgendwelche to-do´s hat oder Termine oder Verpflichtungen oder einen Erfolgsdruck oder Wettbewerb, sondern einfach nur die Zeit mit dem Pferd genießen. Das fände ich sehr schön.

Wenn du mehr wissen möchtest, höre die ganze Podcastfolge oder schreibe mir deine Fragen per Mail.

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